Vorbei an schönen Häusern mit glücklichen Hühnergärten geht es zunächst einmal aus dem Dorf hinaus aufs Feld. Man blickt in ein Bachtal und gelangt zur nächsten Tafel, die das Dorfleben mit Gänsehüteplatz und Acker des Baders anschaulich beschreibt. Am Wegrand blühen Skabiosen und Glockenblumen, Schmetterlinge flattern von Blüte zu Blüte, aus den Büschen leuchten Hagebutten. Nächste Station sind die Lehmgruben, etwas schweißtreibend hinauf, aus der sich früher jedermann vor allem beim Bau seines Hauses bedienen konnte. Was ich noch nicht wusste: Lehmbauweise war Armeleutesache, und so haben viele verschämt ihre Häuser später verputzt oder den Lehm übertüncht. Nach der Zigeunerwiese und dem Hopfengarten führt ein Waldweg zur runden Vertiefung eines Kohlenmeilers, der hier früher aufgeschichtet wurde. Es ist ein moosiger, dämmrig-grüner Tannenwald, in dem zur Zeit viele Pilze, vor allem Blutreizker, Parasol und Fliegenpilze wachsen.
Am Sportplatz vorbei gelangt man zum Ort des Fackelfeuers. Das Fackeln ist in dieser Gegend ein alter Brauch, der an Heiligabend nach der Kirche mit einem riesigen Feuer begangen wird. Ein kleines Stück die Straße entlang, und schon wandert man wieder hinab über die Felder, mit schönen Ausblicken auf die bewaldeten Berge und bis nach Nagold hinüber, an Maisfeldern entlang und zu Hütten, in deren Schatten sich die Apfelbäume bis zur Erde biegen. Überall liegen Äpfel und Zwetschgen herum. Der Himmel ist ein Wolkentheater, über dem Wald, in den ich noch hinunterwill, braut es sich schwarz zusammen. Gleichzeitig zieht ein Gewitter von Nagold herüber.
Schnell noch zu den Schildern 10 und 11. Nummer 10 bezeichnet "Brommelgass und Totenweg." Früher wurden die Toten weither, sogar von Enzklösterle, nach Ebershart geschafft. Im Dreißigjährigen Krieg waren es die Pestleichen, die ihre Opfer auch bei den Leichenwagenfahrern forderten. Noch ein weiteres Schild zur Wasserversorgung, dann knallt aus dem Wald ein Donnerschlag. Über Nagold fährt ein Blitz zur Erde. Nein, da kann ich nicht hinuntergehen, wer weiß, ob ich da lebend wieder rauskomme! Also den Weg zurück und zum Dorf (was man übrigens an vielen Punkten dieser Wanderung machen kann). Die Gewitter lösen sich allmählich wieder auf. So ein Pech, war ich doch gespannt auf den Hannikelbrunnen. Der berüchtigte Räuber Hannikel hatte hier möglicherweise mit 29 Spießgesellen einen Schlupfwinkel. Auf jeden Fall hätten sie hier öfter ihre Pferde getränkt.
Wieder am Rand des Dorfes angekommen, gehe ich an Fachwerkhäusern und dem Schulzenhaus mit idyllischem Garten vorbei. Jetzt habe ich die Orientierung verloren, stehe an der Kirche und suche das Sühnekreuz, das für Opfer von Gewalttaten errichtet wurde. Dieses und eins im Wald waren für ein "Wolfskind" gedacht, das verschleppt und nie wieder gefunden wurde - bis auf einen Arm.
Ein älterer Radfahrer hält an und fragt mich, ob er mir helfen kann. Ja, ich suche den Geistgraben. Er sei ein alter Ebersharter, erzählt er, und kenne sich sehr gut aus. Da zurück zum Schulzenhaus, dann links. Außerdem sei ich ihm bekannt, er habe mich im Einkaufszentrum gesehen, sogar meinen Wagentyp kannte er. Also wieder zruück und rein in die Herrengärten. Dort wurde Flachs über einem Feuer verarbeitet und geschlagen. Und dann komme ich richtig zum Geistgraben. Lief man bei Nacht hier herum, so verspürte man ein schweres Gewicht im Kreuz. Auch irrlichterte es immer wieder, und da auf diesem Weg die Toten nach Ebhausen getragen wurden, munkelte man, das seien die Seelen der Verstorbenen.
Der Radfahrer kam mir entgegen, weil er sehen wollte, ob ich auch den rechten Weg gefunden hatte.
"Mit den Geistern hat man uns als Kinder erschreckt", meinte er. "Wir hatten immer Angst, da durchzugehen." Und zum Räuber Hannikel: "Die Leute haben den gemocht, weil er nur die Reichen bestohlen hat." Immerhin wurden dem Räuberhauptmann Morde zur Last gelegt, und der Sulzer Amtmann Georg Jakob Schäffer jagte ihn solange, bis er ihn schließlich in der Schweiz dingfest machen konnte. Er wurde 1786 zusammen mit zweien seiner Kumpels in Sulz gehängt. Zum Abschluss noch durch das winzige Industriegebiet zum Wasch- und Baderhaus. Irgendwann wurde das gemeinschaftliche Baden verboten, weil es immer freizügiger zuging. Doch war der Bader unendlich wichtig für die Dorfleute, weil Ärzte für sie nicht erreichbar und nicht bezahlbar waren.
Jetzt taten mir doch ein wenig die Füße weh. Aber beim Abschluss dieser Wanderung war ich höchst zufrieden, denn ich hatte lange nicht gewusst, dass Hannikel, Gegenstand meiner Recherchen und eigentlich auch Randfigur meines momentanen Romanprojektes, so nah bei meinem Zuhause einen Schlupfwinkel besaß.
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