Wanderung von
Hohentübingen zur Wurmlinger Kapelle

Viel ist schon über diesen „Klassikerweg“ geschrieben und
gesagt worden. Oft bin ich ihn während meiner Studienzeit in
Tübingen gegangen und auch in den vielen Jahren danach. Die
romantischste Variante ist zweifellos diejenige, die auf dem Schloss
Hohentübingen beginnt. Einst stand an dieser Stelle eine
mittelalterliche Burg, die als „castrum twingia“ 1078 erwähnt
wurde. Hier residierten die Pfalzgrafen von Tübingen, bis sie Burg
und Stadt 1342 an die Grafen von Württemberg veräußerten. Heute
gehört das imposante Renaissanceschloss der Universität. Die
Wanderung bietet nicht nur landschaftliche Höhepunkte und botanische
Kostbarkeiten, sondern auch diverse kulinarische Genüsse. An der
Schlosssteige beim Haagtorplatz, auf der man ebenfalls zur Burg
hinauf kommt, kann man das Gartenhäuschen sehen, in dem Johann
Wolfgang Goethe anno 1797 mit seinem Verleger Cotta weilte. Heimlich
nenne ich diese Wanderstrecke „Dichterweg“, denn es mögen ihn
viele große und kleinere Köpfe gegangen sein, die seit dem 18.
Jahrhundert in Tübingen wohnhaft waren.

Und hier ist die Wegbeschreibung: Durch
einen schmalen, geheimnisvollen Gang im hinteren Schlosshof geht es
hindurch zum Schänzle, dann nochmal eine düstere Treppe hinab.
Eine mittelalterliche Athmophäre, die jäh durch den Austritt an die Mauer unterbrochen wird. Man sieht das silberne Band des Neckars und das weite Land mit dem Rammert-Buckel und den
Dörfern Hirschau, Bühl und Kiebingen. Vorbei an Verbindungshäusern und dem
Bismarckturm erreicht man den Waldrand. Es geht ziemlich lange
geradeaus durch einen Buchenmischwald. Auf halber Höhe kann man rechts hinab zum
Schwärzlocher Hof steigen, einem beliebten, nicht nur studentischen
Treffpunkt mit Mostbowle und schwäbischen Gerichten wie Mostbraten,
Linsen mit Spätzle und Sauren Kutteln. Der Hof wurde schon im Jahr
1085 erwähnt. Von der Terrasse genießt man einen schönen Blick ins
Ammertal. Wandert man weiter nach Wurmlingen, erreicht man
schließlich, gegenüber der Kapelle, einen Wiesenhang, auf dem im
späten Frühjahr Orchideen blühen. Zur
Kapelle St. Remigius muss
man wieder hinaufsteigen, wird aber mit einer noch großartigeren
Aussicht belohnt. Ludwig Uhland unternahm im Jahr 1815 einen
Spaziergang zur Wurmlinger Kapelle und verfasste das bekannte Gedicht:

Droben stehet die Kapelle,
Schauet still ins Tal
hinab.
Drunten singt bei Wies' und Quelle
Froh und hell der
Hirtenknab.
Traurig tönt das Glöcklein nieder,
Schauerlich
der Leichenchor;
Stille sind die frohen Lieder,
Und der Knabe
lauscht empor.
Droben bringt man sie zu Grabe,
Die sich
freuten in dem Tal;
Hirtenknabe, Hirtenknabe!
Dir singt man
dort auch einmal.
Ludwig Uhland, (1787 - 1862), deutscher Dichter und Mitglied des
Frankfurter Paulsparlamentes.
Während ihres Studiums der Theologie im Tübinger Stift unternahm der Dichter Eduard Mörike, der ebenfalls mit Uhland befreundet war, einmal im Winter einen Rodelausflug mit dem Feuerkopf Wilhelm Waiblinger und anderen. Nachdem sie dem Wein derart zugesprochen hatten, dass der Ephorus im Stift verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hätte, purzelten sie nacheinander in den Schnee und mussten mit einer Kutsche nach Tübingen zurückgeschafft werden.
Die heutige Kapelle St. Remigius wurde im Jahr 1680 errichtet und
enthält eine romanische Krypta aus dem frühen 12. Jahrhundert. Sie
ist von Mai bis Oktober in der Regel jeden Sonntag von 10.00 bis
16.00 Uhr geöffnet. Der Berg ist mit Weinreben, Esskastanien und
einer mediteranen Vegetation bestanden. Bis in das Jahr 2004 gab es
die Gaststätte „Kratzer“am Fuß des Kapellenberges. Bei einem
Blick in den Bauerngarten kann man heute noch träumen von
Heidelbeerwein, Most, Bier und deftigen Speisen. Das alljährliche
Fleckenfest in Wurmlingen ist ebenfalls einen Besuch wert, nicht nur
wegen seiner Oberländer Bratwürste mit Kartoffelsalat. Das nächste
Fest findet vom 10.-11. September 2016 statt. Den Rückweg kann man
durch das Ammertal nehmen oder aber mit der Ammertalbahn von
Unterjesingen nach Tübingen fahren. (Halbstundentakt).
Hier noch eine
exaktere Wegbeschreibung mit Schwierigkeitsgrad usw.
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