Samstag, 7. Dezember 2013

Der Feuerkopf von Ludwigsburg

Ludwigsburg ist der Ort mit dem größten unzerstörten Barockschloss Deutschlands. Jährlich lassen sich 250 000 Besucher durch die riesigen Prunkräume führen, noch einmal so viele mögen das "Blühende Barock", die Gartenanlagen des Schlosses, besuchen. Der Bau wurde Anfang des 18. von Herzog Eberhard Ludwig (1676-1733) errichtet. Kurz vor 1700 verweilte er auf Schloss Versailles von Ludwig IV., was ihn dazu anregte, aus Württemberg einen absolutistischen Staat zu machen. Aus Kostengründen ließ er die Arbeiter fünfzehn Jahre steuerfrei im Umfeld des Schlosses wohnen, woraus sich später die Stadt Ludwigsburg entwickelte. Herzog Carl Eugen (1728-1793), der wie sein Vorgänger 16jährig für mündig erklärt wurde, verweilte gern in Ludwigsburg, wo er sich ein stattliches Appartment einrichten ließ. Seine Feste und venezianischen Maskenspiele waren legendär, er gab Unsummen für die Hofhaltung und für seine Mätressen aus. Aber immerhin hinterließ er der Nachwelt das Neue Schloss in Stuttgart, das Lustschlösschen Monrepos sowie Schloss Hohenheim, die spätere Karlsschule, in der Schiller gedrillt wurde und nach deren Beendigung er floh. Dabei wollte Carl Eugen doch Musik und Künste fördern! Wenn das bedeutendste Opernhaus der damaligen Zeit nach Goethe auch eine Art Bretterverschlag war, so zog Carl Eugen doch bedeutende Musiker und andere Künstler nach Ludwigsburg. Anno 1763 bewarb sich der Schulmeister und begnadete Klavierspieler und Organist Christian Friedrich Daniel Schubart um die Stelle des Hofmusikers.

Die letzte Zeit im Albstädtchen Geislingen hatte die Situation für ihn verschärft. Beim Schwiegervater Bühler fiel er in Ungnade, nicht nur, weil er tagelang im Wald umherschweifte, statt zu unterichten, sondern auch wegen seiner legendären Zechtouren. Und weil er sich immer wieder mit der Obrigkeit und der Kirche anlegte. In Ludwigsburg nun gab es den fanatischen Dekan Zilling, der gern einen anderen Kandidaten als ihn durchgesetzt hätte. Da es ihm nicht gelang und die Leute mehr des Schubartschen Orgelspiels als seiner Predigten wegen in die Kirche strömten, verfolgte ihn Zilling von da an mit unerbittlicher Härte. Doch zunächst schien der Hofmusikus seine Stellung zu genießen.
"Ich bin numero ein Hofmann!", schreibt er. "Stolz, windicht, unwissend, vornehm, ohne Geld und trage samtne Hosen, die,so Gott will, noch vor meinem seligen Ende bezahlt werden sollen ...Meine Stuierstube hat sich in ein Puzzimmer verwandelt, mein Pult in eine Toilette ...Ich freue mich von Herzen über das Privilegium, dumm und vornehm zu sein, und lache über euch Autoren mit der papiernen Unsterblichkeit."
Er spielt die Orgel in der Stadtkirche, gibt Musikunterricht und Konzerte und rezitiert Literatur in den adligen Salons. Mit einigen der Klavierschülerinnen kam es wohl auch zu mehr als zu platonischen Beziehungen. Vornehmlich zu einer Franziska von Leutrum, die sich später als herzogliche Mätresse Franziska von Hohenheim einen Namen machte und als Ehefrau wohl auch günstig auf Carl Eugen einwirkte.
Da nimmt es nicht wunder, dass Schubart auch beim Herzog in Ungnade fiel und im Mai 1773 vom Dekan Zilling exkommuniziert wurde. Er musste das Herzogtum Württemberg verlassen. Ob ihm tatsächlich Ehebruch nachgewiesen wurde, ist der Verfasserin nicht bekannt. Frau und Kinder sollen sich von ihm abgewandt haben. Doch könnte das nicht auch ein Intrigenspiel des fanatischen Zilling gewesen sein? Schubart selbst stellt es so dar:
"Ich bin mir keiner Ausschreitung bewusst als einiger Dinge, die man hier zu Lande für Staatsfehler hält. Erstlich habe ich in der Post eine Pfeife Tabak geraucht, 2tens im Concert mit einem Fernglas herumgesehen, 3tens legt man mir zur Last, dass ich mit zu viel Feuer in Gesellschaft rede und mich erfreche zu urteilen."
Doch das Spiel in Ludwigsburg war verloren, unabhängig von den Hintergründen. Mit der Landesverweisung begann für Schubart ein unstetes Reiseleben durch Süddeutschland, über Mannheim, Heilbronn und Schwetzingen nach München, aber nirgends konnte er Fuß fassen, überall eckte er an bei den Jesuiten, bei den Pietisten, bei der Obrigkeit. Bis ein Drucker ihm in Augsburg die Gelegenheit bot, Journalist zu werden und die Deutsche Chronik" herauszugeben.

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